Alois Senefelder und die Erfindung der Lithographie im internationalen Kontext
.3. – 5. November 2016, Nederlands Steendrukmuseum, Valkenswaard, Die Niederlande Gemeinschaftstagung von IADM (Internationalen Arbeitskreises für Druck- und Mediengeschichte) und AEPM
Harry Neß (Offenbach am Main, Deutschland.
Die relativ neue Disziplin der Medienarchäologie ruft mit ihren Forschungsthemen das nächste Kapitel der Arbeit an der Druck- und Mediengeschichte auf. Dabei geht es zu einem um die Freilegung
und den Erhalt von Materialien, Apparaten und Werkzeugen der Kommunikation, also die Hardware, zum anderen aber auch um den Aufschluss und die Langzeitarchivierung digital vorliegender
Informationen, also die Software.
Exemplarisch wird ausgehend von den Zufallsfunden der Lithosteine derNotendruckerei André beim Bau der S-Bahn in Offenbach (Deutschland) der Erhalt der Bestände an Lithosteinen aus dem
„Hessischen Landesmuseum in Darmstadt“ thematisiert und die Möglichkeit einer „Steinbibliothek“ als nationale Aufgabe thematisiert.
Besonders die neuen Formen der Datenübertragung in analogen und digitalen Techniken des 20. und 21. Jahrhunderts werfen beispielsweise Fragen nach der Nutzung von Grammophonen,
Computersammlungen, Disketten, Festplatten, Fotos, Magnetplatten etc. auf: Wer sind die Produzenten, welche Techniken verwendeten sie und wer sind die Nutzergruppen? Aber auch Probleme des
Erhalts von wechselnden Programmen auf Computern, Handys und Smartphones geraten damit in den Fokus. Datenschutz, verlustfreie Datenübertragung, Kostenübernahme zur Pflege der Datenbestände und
ihres Zugangs, Erhalt der Auslesbarkeit, Verwaltung digitaler Rechte usw. werfen neue Forschungs- und Archivierungsdiskussionen auf, in die sich IADM und AEPM einbringen müssen, da die
elektronisch sich weiter entwickelnden Kulturartefakte aus Technik, Bild, Ton, Schrift und Sprache drohen, dauerhaft verloren zu gehen, ihre aktuelle Rezeption morgen vergessen ist.
Michael Twyman (Emeritus des Fachbereichs Typographie & Graphische Kommunikation, der Universität Reading, Großbritannien.)
Der Vortrag beschäftigt sich mit einer Sammlung von 56 Lithosteinen, die fast alle mit Arbeiten aus der ersten Hälfte der 1820er Jahre versehen sind. Die darauf befindlichen Abbildungengehören zu den archäologischen Entdeckungen des Ägyptologen William John Bankes, einem Freund von Byron, und sind als Erbe im Besitz von Kingston Lacy (Dorset, UK), wo die Steine für fast zwei Jahrhunderte lagerten. Die meisten der Steine zeigen Inschriften die von George Scharf mit Tinte auf den Stein gezeichnet wurden, einige andere beinhalten Kreidezeichnungen von archäologischen Monumenten. Die Steine wurden für den Druck präpariert und in einigen Fällen für eine Publikation von Charles Hullmandel, dem führenden, zeitgenössischen britischen Steindrucker, abgedruckt. Sein Druckerzeichen erscheint auf fast allen Steinen, in vielen Fällen mit dem Datum 27. November 1821. Die meisten Steine haben auch den Besitzvermerk ihres Druckers (‚CH‘ mit einer Nummer), entweder aufgemalt oder in die Unterseite des Steines eingeritzt.
Li Portenlänger (Leiterin der Lithographie-Werkstatt Eichstätt, Deutschland.)
Die Abbauregion der Solnhofener Plattenkalke, im heutigen Bayern gelegen, steht in enger Beziehung zur Lithographie und deren Anwendung im großen Stil weltweit. Die Ausbeutung der Kalksteinbrüche
fand bereits in römischer Zeit statt, und der Stein wurde auch beim Bau des traditionellen Jura-Bauernhauses für Wand, Boden und Dacheindeckung verwendet. In Bauten von Abteien, Kirchen,
Schlössern und barocken Bürgerhäusern fanden die gelben, grauen und blauen Kalksteine verfeinerte Anwendung. Hatten vor Alois Senefelder schon Ansätze, mit dem Stein zu drucken, Ergebnisse
gezeigt, so wurde doch die „Chemische Druckerey“ als Flachdruck die bahnbrechende Erfindung der Reproduktion. Dies hatte ab dem frühen 19. Jahrhundert den massenhaften Abbau der Steine zur Folge.
Stillgelegte Brüche wurden wiedereröffnet. Der Kalkstein reiner, homogener und dichter Masse aus der Gegend um Solnhofen bot sich hier auch als großformatige Druckplatte. Beim Abbau des
lithographiefähigen Gesteins wurden viele Lagen fossiltragender Schichten freigelegt. Die Paläontologie mit der Erforschung des Lebens erhielt reichlich Fundmaterial. Der „Archaeopteryx
lithographica“ trägt den Beinamen der Drucktechnik zur Typisierung.
Gunnel Hedberg (Malmö, Schweden)
Die ersten Steindrucker (Fehr und Müller) – zwei Deutsche und einer ihrer Söhne – wurden von Kronprinz Jean Baptiste Bernadotte auf eigene Kosten nach Schweden eingeladen. Sie begannen im Frühling 1818 in Stockholm mit dem Drucken Fehr war ebenfalls einer der ersten Drucker in Dänemark und später gründete er die erste Steindruckerei in Norwegen. Diese beiden Erstdruckern folgte eine große Menge von Druckereien in Stockholm.Im ersten Jahrzehnt waren es ungefähr 19, die es als Nebentätigkeit zu anderen Aktivitäten betrieben. Diese ersten Steindrucker wurden auf Grundlage (häufig durch Insolvenzen)von offiziellen Dokumenten, persönlicher Korrespondenz, Anzeigen in Zeitungen und Druckvermerken untersucht. Das Bild, das sich daraus ergab, ist der scharfe Wettbewerb und der hohe persönliche Preis, den fast alle als Pioniere bezahlen mussten.
Jan af Burén (Litografiska Museet, Huddinge, Schweden)
Die Lithographie wurde 1818 von zwei deutschen Lithographen und Druckern, auf Bitten des schwedischen Königs, des ehemaligen französischen Marshalls Jean Bernadotte, eingeführt. Schon bald wurde eine gute Arbeitsqualität im Steindruck erreicht, aber erst zu Beginn der 1840er Jahre wurde die Chromolithography in Schweden eingeführt. Die Einführung dieser Technik ging auf die Fähigkeiten von eingewanderten deutschen Lithographen und importierten Handbücher zurück, wobei das wichtigste das Buch von Heinrich Eduard Pescheck and Leo Bergmann. Das Ganze des Steindrucks war. Eine andere Quelle war Robert Bertram’s New Lithochromie, das 1840 ins Schwedische übersetzt wurde.Im Jahre 1840 errichtete Johann Friedrich Meyer, aus Berlin und Hamburg kommend, das J. F. Meyer & Co Lithographic Institute. Meyer ging 1848 nach Berlin zurück, um die neuesten Techniken der Chromolithographie zu erlernen. Im Jahre 1844 eröffnete der schwedische Lithograph Axel Jakob Salmson eine Steindruckerei. Seine ersten Chromolithographien wurde mit Hilfe eines Handbuches gedruckt. 1840 wurde Robert Bertram’s Buch über die Lithochromie – eine Reproduktionsart, bei der Ölfarbe benutzt wir – ins Schwedische übersetzt. Einige Jahre später wurde die zweite Ausgabe von Peschek’s Das Ganze des Steindrucks herausgegeben. Hier wurde ebenfalls der Begriff Lithochromie benutzt, aber jetzt als Chromolithographie verstanden. Beide, Meyer und Salmson, benutzten die im Buch beschriebene Technik, die die Arbeitsweise, mit mehreren Farbsteinen und handkolrierten Details zu arbeiten, kombinierte. Später, zu Beginn der 1860er Jahre, druckten Meyer und Salmson richtige Chromolithographien. Von diesem Zeitpunkt an verbreitete sich die Technik der Chromolithographie in allen wichtigen Steindruckereien in Schweden.
Johan de Zoete (Meisterkurse im Erkennen von alten Reproduktionstechniken)
Direkt nach der Erfindung der Fotografie versuchten Forscher diese neue Technik auch auf die Drucktechnik zu übertragen. Die frühesten Experimente wurden im Tiefdruckverfahren durchgeführt. Die Daguerreotypie bestand aus einem fotografischen Bild auf einer versilberten Kupferplatte, und Kupfer war ein Material, mit dem sich Drucker gut auskannten. Um 1855 entwickelte der Franzose Alphonse Poitevin ein Verfahren der Fotolithographie, das gute Ergebnisse hervorbrachte. Die Methode war jedoch nicht sehr praktikabel. Das größte Problem war die genaue Wiedergabe der Halbtöne des Originals. Andere Methoden waren dann effektiver, wenn das Original aus Strichvorlagen bestand. Die ergab jedoch keine spektakulären Ergebnisse und es beschränkte sich auf künstlerische Arbeiten wie Zeichnungen, und sah nicht aus wie Fotografien der ‘realen Welt’. Eine Methode, wie die von Colonel Henry James Scott aus Southampton, die ‚Photozincographie‘, wurde jedoch mit einigem Erfolg zur Produktion von Faksimiles alter Texte benutzt. Ein anderes Verfahren basierte auf einer Erfindung von Eduard Isaac Asser, einem in Amsterdam lebenden Amateur-Fotografen. Seine Methode wurde von verschiedenen Druckereien übernommen, obwohl es ebenfalls bei der korrekten Wiedergabe von Halbtönen versagte. Eine spätere Entwicklung war Charles Ecksteins ‚Steinheliogravure‘, die einige atemberaubende Bilder hervorbracht. Mit der Erfindung der Raster-Fotografie um 1881, konnte die Technik um Tonwerte mittels Punkte von unterschiedlicher Größe zu erzeugen, direkt erfolgreich für den Steindruck angewendet werden.
Gerhard
Kilger (Internationale
Senefelder-Stiftung, Offenbach, Deutschland)
-Litho von Bruno Bruni-
Der Steindruck von Alois Senefelder war schon von
Beginn an nicht nur eine wichtige Drucktechnik zur Wiedergabe von Kunstwerken, sondern viele Künstler haben die Lithographie als künstlerische Technik genutzt. In der Regel wurden künstlerische
Lithographien von Experten präpariert und gedruckt.
Inzwischen hat jedoch in der postindustriellen Phase die künstlerische Lithographie eine erstaunliche Entwicklung gemacht: Auf der einen Seite verschwinden nicht nur das professionelle
Expertenwissen, sondern auch die notwendigen Materialien für anspruchsvolle Drucktechniken, auf der anderen Seite erzeugen Experimente und kreative Ansätze von Künstlern ganz andere und neuartige
Möglichkeiten auf dem Stein. Selten hat eine industrielle Technik nach ihrem Niedergang in den Händen von Künstlern einen derartigen Wandel erlebt.
Anhand von Beispielen – auch der Preisträger des Internationalen Senefelder-Preises – wird dieser Wandel dargestellt.
Jean
Drache (Deutschland,
künstlerischerLeitung für Lithographie und Steindruck an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig)
Seit ihrer Erfindung hat die Lithografie nichts von ihrer Attraktivität für Künstler eingebüßt.Während der merkantile Gebrauch weitestgehend durch den Offsetdruck abgelöst wurde, ist
die grafische Arbeit auf dem Stein noch immer sehr lebendig.
Aber auch der Offsetdruck bietet Nieschen, die für Künstler von Interesse sind. Während der Steindruck vorwiegend von Malern und Zeichnern genutzt wird, ist der Handoffsetdruck besonders für
Fotografen und Medienkünstler interessant. Die Nähe und Spezifik beider Techniken möchte ich in meinem Vortrag darstellen. Darüber hinaus gebe ich einen Einblick in die Arbeit einer
Handoffsetwerkstatt und einer Steindruckwerkstatt an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.